Nach über einem halben Jahr der Vorbereitung, zahllosen Telefonaten, Gesprächen und E-Mails waren wir (Franziska Schaupp, Karen Kemna, Lea Krueger-Janson, Oskar Bunz) im September 2011 startbereit, um weitestgehend autark zahnmedizinische Behandlungen und vor allem Prävention in einem Entwicklungsland durchzuführen. Neben einer weiteren „Mobilen Dentalen Behandlungseinheit“ (MDB) waren zahnmedizinische Füllungswerkstoffe, Hygieneartikel, Schleifer sowie Extraktionsinstrumentarium dank unserer Sponsoren zahlreich vorhanden. Nun musste nur noch alles transportiert werden und unversehrt in Myanmar ankommen.
Schon im Landeanflug auf den Flughafen von Yangon sahen wir viele Hütten und Reisfelder – ein maximaler Kontrast zum industrialisierten Deutschland, aus dem wir gerade aufgebrochen waren. Durch die großen Glasscheiben an den Passkontrollen konnten wir Burmesinnen und Burmesen sehen, die neugierig auf die Ankommenden warteten. Alle trugen Longyis, den landestypischen Wickelrock. Als Oberteil tragen Männer Hemden mit Stehkragen und Frauen entweder ein aus dem gleichen Stoff gefertigtes Oberteil oder eine passende Bluse dazu. Die Frauen, insbesondere die jungen, sind im Gesicht mit Tanaka Paste bemalt. Tanaka ist eine Paste aus Baumrinde. Manche verteilen sie im ganzen Gesicht, manche akkurat als Viereck, andere kreisförmig, nur auf den Wangen verteilt. Die Paste dient nicht nur als eine Art von Make-up oder Schönheitspaste, sondern soll auch vor der Sonne schützen.
Auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel wurden wir weiter von den vielen Eindrücken überwältigt. Allein der Verkehr. In Myanmar gilt der Linksverkehr. Aber dadurch, dass die meisten Autos aus Thailand importiert werden, befindet sich das Lenkrad auf der rechten Seite. An die Fahrweise der Burmesen muss man sich so erst etwas gewöhnen. Der Verkehr ist auch schon am frühen Morgen sehr chaotisch und laut, denn das Verkehrsgeschehen wird grundsätzlich durch Hupen kommentiert. Wir waren froh, dass wir nicht selbst am Steuer sitzen mussten.
Geschafft von dem langem Flug und den ersten Eindrücken wurde zunächst eine Ruhepause im Hotel eingelegt – nicht ahnend, dass die weitere Reise ins Landesinnere mindestens genauso lange dauern würde. Anschließend gelangten wir frisch erholt und nach einer ersten Stärkung mit landestypischem Essen zu Fuß zum Sitz der Myanmar Stiftung.
Die Stiftung gehört zu den Hauptsponsoren des Projekts. Sie unterstützt mehrere Projekte, hauptsächlich Schulen und Waisenhäuser in Myanmar (ehemals Burma). Aber auch die medizinische Grundversorgung ist ein wichtiger Teil des Engagements.
Allerdings musste erst einmal unser Reiseplan gemeinsam mit den Mitarbeitern der Myanmar Stiftung abgeändert werden. Die gemeinsame Behandlung mit den einheimischen Zahnärzten war nach den Regularien der neuen Regierung nicht möglich. Ausschließlich Prophylaxebehandlungen und Zahnpflegeunterricht wurden uns gestattet.
Natürlich waren wir zu Beginn sehr enttäuscht und hatten die Befürchtung, unsere Materialien umsonst mitgebracht zu haben. Zum Glück liegt ja aber der Schwerpunkt unseres Projekts ohnehin auf der Zahn- und Mundgesundheitsvorsorge und so machten wir uns unverdrossen an die Arbeit. Die Besuche in Waisenhäusern und Schulen waren schon fest vereinbart.
Bevor wir nun endgültig starten konnten, war die Abholung des von Deutschland vorausgeschickten, so zahlreich gespendeten zahnmedizinischen Materials von rund 100 Kilogramm eine Aufgabe, die sich als bürokratischer und langwieriger herausstellte als gedacht. Während Oskar Bunz und Dr. Mya Nandar sich auf den Weg zum Zollamt machten – vorbei an vielen Schreibtischen – erkundeten die anderen drei Projektteilnehmer die Stadt Yangon (auch Rangun, die ehemalige Hauptstadt).
Das Straßenbild von Yangon ist sehr abwechslungsreich. Zum einen sieht man die schönen Häuser aus der Kolonialzeit und die vielen Essensstände auf den Gehwegen. Zum anderen fallen große Werbeplakate für Handys oder Klimaanlagen auf, „symbols for the riches“. Die Urbanität wird von innerstädtischen Seen mit Parkanlagen unterbrochen. Vergoldete Pagoden oder Hindutempel stehen zwischen städtischen Häusern. Zu Fuß musste man aufpassen, wo man hintrat. Denn nicht selten gibt es Löcher, verschobene Platten oder rote Betelnussspuckflecken auf den Gehwegen. Die Luft ist gesättigt von der hohen Luftfeuchtigkeit – im September herrscht noch Regenzeit – und den unterschiedlichsten Straßengerüchen. Leckere Gerüche aus den Garküchen oder der dominante, an verfaulte Zwiebeln erinnernde Duft der Durian Frucht. Nicht ohne Grund ist es in manchen Hotels verboten, diese Frucht mitzubringen.
Die Garküchen bestehen meist lediglich aus großen Töpfen, die auf den Gehwegen aufgestellt werden. Die Gäste sitzen auf Kinderstühlen an Kindertischen. Das Obst wird am Straßenrand zubereitet und manchmal dient einfach der Rinnstein als Werkzeug. Zahlreiche kleine Läden bieten Süßigkeiten, Zigaretten oder Softdrinks an. Seinen Durst könnte man außerdem an Wasserstationen stillen. Jedoch wird dieses Wasser von einem dreckigen Eisblock gewonnen und in gebrauchte Plastikflaschen abgefüllt. Wir haben lieber darauf verzichtet.
Der Zusammenklang von Tradition und Moderne sowie das Leben in der Religion spiegelt sich in Myanmar nicht nur in der Architektur wider. Man sieht ständig in Rot gekleidete Mönche auf den Straßen und daneben teure Geländewagen fahren. Mönche gehören zum Alltag, der Buddhismus ist in Myanmar allgegenwärtig und lebendig. Das Denken und Handeln der Menschen ist geprägt durch die Religion. Jeder, den wir kennen lernen durften, war hilfsbereit, freundlich, sehr bemüht und stellte seine Bedürfnisse hinten an. Eigenschaften, die uns beeindruckten. Wir waren immer herzlich willkommen und wurden behandelt wie ein Teil der Familie. Manchmal fiel es uns stärker organisierten und direkten Deutschen jedoch schwer, mit der zurückhaltenden Mentalität umzugehen, besonders bei auftretenden Schwierigkeiten. Wir sind es gewohnt, das zu sagen, was wir uns vorstellen und auszusprechen, was wir wollen. Dies war eindeutig ungewohnt für die Burmesen. Um ein Problem lösen zu können, mussten wir oft nachfragen, wenn nicht sogar nachbohren, was denn jetzt genau die vorliegenden Probleme sind. Die Kommunikation war natürlich bereits sprachlich erschwert. Wir mit unserem deutschen Schulenglisch auf der einen Seite und die Burmesen mit einem Englisch mit asiatischem Akzent auf der anderen Seite hatten es nicht immer leicht, uns zu verständigen. Oft schien auch die Angst hinter der Zurückhaltung zu stecken, dass man die von so weit her kommenden „Germans“ nicht enttäuschen wollte. Außerdem ist es Sitte, dass man sich für genaue Absprachen mit den Leuten zum Essen und Tee trifft.
Wir besuchten zuerst in der Umgebung von Yangon zwei Waisenhäuser mit jeweils circa 20 Kindern und eine Schule mit ungefähr 300 Kindern. Ein drittes Waisenhaus konnten wir leider aufgrund zu schlechter Straßenverhältnisse und der einsetzenden Dämmerung nicht rechtzeitig erreichen. Wir schafften es jedoch, den Besuch des versäumten Waisenhauses am Ende unserer Reise nachzuholen. Im Gepäck hatten wir immer viele von Colgate gesponserte Zahnbürsten, Fluoridlack, Obst und Süßigkeiten für den Ernährungsunterricht und natürlich unsere Handpuppe, das Krokodil Joe. Joe ist ein ziemlich hungriges Krokodil. Die Kinder müssen es zunächst immer satt füttern – selbstverständlich nur mit gesunden Nahrungsmitteln. Und da man nach dem Essen die Zähne putzt, wurden zuerst Joes Zähne nach dem KAI-Prinzip (Kaufläche, Außenfläche, Innenfläche) geputzt und anschließend gemeinsam die eigenen. Dies war meist ein sehr feuchter Spaß, weil es schon einmal passieren konnte, dass der Vordermann ein paar Zahnpastaspritzer abbekam.
Die beiden Waisenhäuser bei Yangon wurden bereits im letzten Jahr von Mathias Benedix und Felix Käpernick besucht. Uns erwartete in diesem Jahr jedoch eine völlig andere Situation als unsere Projekt-Vorgänger. Die Leiter der Waisenhäuser waren vor unserem Aufenthalt mehrfach von Behördenvertretern aufgesucht worden, die angeordneten hatten, dass keine Behandlung der Kinder im Beisein von Ausländern erfolgen dürfe. Der Behandlungsbedarf war jedoch immens. Fast jedes Kind hatte kariöse Zähne und hätte Füllungen oder sogar Extraktionen benötigt. Für uns war diese Situation schwer zu ertragen. Wir hatten ja alles Nötige dabei, durften nicht behandeln, obwohl wir ja von Myanmarer Zahnärzten begleitet wurden. Wir beließen es daher bei den Kontroll-Untersuchungen, Prophylaxe und Unterricht in Mundhygiene. Und hoffen, durch die Prävention die Mundgesundheit der Kinder langfristig zu verbessern.
An unserem vorerst letzten Tag in Yangon stand ein obligatorisches Meeting mit dem Vorsitzenden der Zahnärztekammer von Myanmar, Professor Paing Soe, an. Bei diesem Termin wurde uns nachdrücklich eine fünftägige Famulatur in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an einer staatlichen Klinik in der neuen Hauptstadt NayPyiTaw angeraten. Wir willigten für unsere dritte Aufenthaltswoche ein, um den guten Kontakt und den Fortbestand unseres Projektes nicht zu gefährden. Innerhalb der Famulatur sollten die aus Deutschland mitgebrachten Materialien für Komposit-Füllungen, die uns großzügig von Heraeus und GC zur Verfügung gestellt wurden, zum Einsatz kommen.
Die nächste Station hieß Taunggyi, die Hauptstadt des Shan-Staates und die Heimat unserer begleitenden Zahnärztin. Hier wurden wir überaus herzlich von ihrer Familie und ihren Freunden aufgenommen. Gastfreundlich erscheint hier fast ein wenig untertrieben, wir setzten uns stets an einen reichlich gedeckten Tisch, und das nicht nur einmal am Tag, und auch an Geschenken wurde nicht gespart. Trotz der vielen Annehmlichkeiten vergaßen wir unser eigentliches Ziel nicht. Wir halfen bei der einmal wöchentlich stattfindenden „Free Clinic“, in der kostenlos Behandlungen durchgeführt werden. Einen weiteren Tag verbrachten wir mit unserem Präventionsprogramm in zwei Schulen, die in abgelegenen Dörfern ein wenig außerhalb von Taunggyi liegen. Hier gestaltete sich unser Ernährungslenkungs- und Zahnputzprogramm ein wenig schwieriger, da die Bewohner eine eigene Sprache sprechen. Sie gehören einer Untergruppe des Volkstammes der Karen an, den Pao. Somit benötigten wir zwei Übersetzer. 130 Kinder konnten wir dort mit einer Zahnbürste versorgen und ihnen zudem die richtige Zahnputztechnik vermitteln.
Diese sehr fruchtbare Gegend ist von Touristen kaum besucht, dennoch macht sich die zunehmende Industrialisierung leider in dem sorglosen Umgang mit Verpackungsmüll deutlich bemerkbar.
Weiter ging es zum größten Süßwassersee des Landes, dem Inle See, der bekannt für seine Einbeinruderer, schwimmenden Dörfer und Gärten ist. Hier besuchten wir eine Schule mit ungefähr 60 Kindern. Die Schule ist auf Stelzen gebaut und zur Regenzeit nur über den Wasserweg erreichbar. Auch hier empfingen uns die Kinder mit einem lauten „Mingalaba“, was so viel heißt wie „Guten Tag“.
Zurück in Yangon wurde anschließend in einem Industriegebiet ein Behandlungstag für die Mitarbeiter einer Fabrik und deren Familien anberaumt. Hierzu wurde kurzerhand eine Halle zu einem riesigen Behandlungszimmer umfunktioniert. Ungefähr fünfzig knallbunte Plastikstühle, ordentlich aneinandergereiht, warteten auf die Patienten. Als Speibecken diente ein kleiner Mülleimer unter jedem Stuhl. Gemeinsam mit burmesischen Zahnärzten konnten so etwa 100 Patienten mit dringenden Zahnproblemen an einem Tag behandelt werden. Dabei kamen auch unsere beiden mobilen dentalen Behandlungseinheiten von Acteon zum Einsatz. Es war schön zu sehen, wie glücklich die Patienten waren, weil ein Frontzahn wieder hergestellt war und sie wieder ungezwungen lächeln konnten.
Über Mandalay, wo wir einen Pausen-Tag mit Sightseeing einlegten, ging es dann weiter nach Bagan. Für die kommenden sechs Schulen der Myanmar Stiftung mussten wir uns erst nochmals ein zusätzliches Polster von 1150 Zahnbürsten zulegen. Nach kurzem Suchen konnten wir in einem Lagerhaus günstig Zahnbürsten erwerben, die auch europäischem Standart entsprachen. So konnte unser Trip zum nächsten Einsatzort auf der Ladefläche eines Pick Ups durch die trockene und staubige Landschaft um Bagan losgehen. Als Staubschutz trugen wir alle einen OP-Mundschutz. Angekommen, wartete auch hier wie immer als erstes ein gedeckter Tisch mit Grünem Tee, geschnittener Papaya, Bananen, Erdnüssen und vielen unbekannten Speisen auf uns. Die Lehrer hingen derweil gerahmte Bilder von den Wänden ab und zeigten uns stolz die Fotos von ihren deutschen Sponsoren. Gut gestärkt ging es dann an die Arbeit. Am ersten Tag in der Gegend von Bagan besuchten wir drei Schulen mit insgesamt 630 Kindern. Die letzte Schule dieses Tages hatte sogar einen Schlafplatz für uns. Dort verbrachten wir dann die Nacht in einem Klassenzimmer auf zusammen geschobenen Schulbänken, ohne Strom und fließendes Wasser. Dies war ein weiteres eindrucksvolles und aufregendes Erlebnis, das wir sicher lange in Erinnerung behalten werden. Der kommende Tag hielt noch drei weitere Schulen für uns parat, wo wir ungefähr 500 Kinder und Lehrer mit neuen Zahnbürsten versorgten. Auch bei manch einem Dorfbewohner weckte der Besuch der Deutschen großes Interesse und Begeisterung, schnell füllten sich die kleinen Fenster mit neugierigen Köpfen.
So schön die Gegend um Bagan mit seinen zahllosen Pagoden und Palmen auch ist, so mussten wir doch feststellen, dass der Alltag in dieser sogar zur Regenzeit sehr trockenen Gegend um einiges schwieriger ist als beispielsweise in dem sehr grünen und fruchtbaren Shan-Staat. Zum Beispiel fiel uns ein Junge mit einer faustgroßen Schwellung am Unterkiefer auf. Die Mutter erzählte uns, dass sie nicht mit ihrem Sohn zum nächsten Krankenhaus fahren kann, da sie täglich für die Ernährung ihrer fünf weiteren Kinder sorgen muss. Wir versuchten für den Moment unser Möglichstes, gaben ihm ein Antibiotikum und benachrichtigten eine befreundete Zahnärztin für eine weitere medizinische Versorgung.
Wie bereits erwähnt, holten wir das anfangs nicht erreichte Waisenhaus an unserem letzten Tag in Yangon noch nach. Hier zeigte sich der Erfolg der vor einem Jahr durchgeführten Prophylaxeinstruktion. Wir fanden dort die deutlich geringste Kariesrate und gute Aufklärung vor. Im Gegensatz zu den bisher besuchten Schulen konnten die Kinder die Ursachen für Karies direkt nennen und auch die Zahnbürsten lagen schon geübt in ihren kleinen Händen. Mathias und Felix hatten im Vorjahr gute Aufklärungsarbeit geleistet und wir konnten bereits einen Schritt weiter gehen und die Anwendung von Zahnseide gemeinsam üben.
Dieser Tag hielt noch ein weiteres Highlight für uns parat. Die Deutsche Botschaft händigte Dr. Mya Nandar ihr Visum für einen vierwöchigen Aufenthalt in Deutschland aus. Sie konnte nun im Anschluss an unsere Reise eine Hospitation an der Universität Witten/Herdecke absolvieren.
Dr. Mya Nandar zu Besuch in Deutschland
Mit Hilfe großer finanzieller, materieller und persönlicher Unterstützung von Sponsoren war es möglich geworden, dass die burmesische Zahnärztin Dr. Mya Nandar Myanmar verlassen durfte und Deutschland besuchen konnte.
Neben dem fachlichen Austausch hatten wir uns vorgenommen, ihr in Deutschland auch unsere Heimatorte zu zeigen. So wurde Frau Nandar direkt vom Flughafen in den Süden Deutschlands nach Stuttgart eingeladen.
Danach kam sie nach Witten, wo für sie die Famulaturen in den Fachabteilungen unserer Zahnklinik, als erstes in der Abteilung für Parodontologie, begannen.
Bevor Dr. Mya Nandar in die oralchirurgische Abteilung wechselte, stand ein Besuch in Berlin an, bei dem sie, als Gast der Gründer und Initiatoren des Projektes, Constanze Sauer und Georg Kirchner, drei Tage Berlin kennenlernen konnte. Dass Deutschland eine streitbare Demokratie ist, konnte Nandar erleben, als sie den Reichstag besuchen wollte. Demonstranten hatten sich zu einer spontanen Demonstration vor dem Reichstag eingefunden und aufgrund dessen wurde der Zugang polizeilich gesperrt.
Befragt nach ihren Eindrücken in den Fachabteilungen konnte sie viele therapeutische Gemeinsamkeiten in der Chirurgie feststellen, doch die Materialien unterscheiden sich laut ihrer Aussage erheblich von denen ihres Heimatlandes. Dagegen waren die Erfahrungen in der Prothetik, Parodontologie und konservierenden Zahnmedizin für sie neu und beeindruckend, so dass sie um einen zusätzlichen Tag in der prothetischen Abteilung bat.
Gemeinsame Abende unter anderen mit den Förderern Prof. Dr. Stefan Zimmer, dem Schirmherren unseres Projektes, und Prof. Dr. Wolfgang Arnold ermöglichten Gespräche und Gedanken über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Zahnmedizin. Gemeinsam überlegten wir, wie das zahnmedizinische Hilfsprojekt Myanmar zukünftig ausgerichtet werden könnte.
Zahnmedizin in Myanmar
In Myanmar kann man nicht grundsätzlich von einer schlechten zahnmedizinischen Versorgung sprechen. Allerdings gibt es zahlreiche Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass nicht jedem ein Zahnarztbesuch möglich ist.
Zunächst orientiert sich die Zahnärztedichte stark an der Bevölkerungsdichte, was im Umkehrschluss heißt, dass in sehr gering besiedelten Gebieten kaum bis gar keine Zahnärzte vorhanden sind. Für einen Besuch beim Zahnarzt müssen lange Wegstrecken in Kauf genommen werden. Weil das Reisen für die Myanmarer nicht kostengünstig ist und ein ausfallender Arbeitstag hinzukommt, wird oft auf den Weg zum Zahnarzt verzichtet. Besonders für kinderreiche Familien stellt dieser Umstand und die damit verbundenen Kosten eine Hürde dar.
Außerdem existiert in Myanmar keine Krankenversicherung. Daher müssen alle anfallenden Kosten für einen Arztbesuch vom Patienten selbst getragen werden. Natürlich unterscheiden sich diese Kosten von Arzt zu Arzt. An nur zwei staatlichen Krankenhäusern werden die Kosten an die Möglichkeiten der Patienten angepasst.
Allerdings gibt es einen nicht zu unterschätzenden Punkt, der gehörigen Eindruck bei uns gemacht hat. Die buddhistische Lehre beeinflusst viele Zahnärzte stark in ihrem Verantwortungsgefühl gegenüber den armen Bevölkerungsschichten. Alle Zahnärzte, denen wir begegnet sind, engagieren sich für die Versorgung von mittellosen Patienten. Eine kleine Klinik in Taunggyi führt beispielsweise wöchentlich eine kostenfreie Sprechstunde für Patienten durch. Dort werden sie dann von 7 bis 9 Uhr unentgeldlich behandelt.
Außerdem planen kleine Ärztegruppen regelmäßig so genannte „Fieldtrips“ ein. Mit chirurgischem Equipment machen sie sich dann in entlegene Gebiete auf, um dort die Dorfbevölkerung oder Arbeitergruppen zu behandeln. Allerdings muss sich hier die zahnärztliche Tätigkeit auf Notfallbehandlungen, meistens Extraktionen, beschränken. Für die Ausrüstung müssen die Ärzte selbst aufkommen. Deswegen wird vor einem Trip immer Geld und Material gesammelt oder wenn möglich ein Sponsor gesucht.
An dieser Stelle kommt auch unser Projekt wieder ins Spiel. Durch die zahlreichen Materialspenden, die uns erreichten, konnten wir diese Ärztegruppen mit Material versorgen. Dazu gehörte auch das sehr begehrte Komposit-Füllungsmaterial. Auch die Behandlungseinheit, die unsere Vorgänger schon erworben hatten, findet nun häufigen Einsatz bei diesen „Fieldtrips“. Der Koffer mit der Behandlungseinheit konnte vertrauensvoll Frau Dr. Mya Nandar überlassen werden. Sie hat seitdem zahlreiche Behandlungen mit der mobilen Einheit vorgenommen. Sie erzählte uns, wie begeistert alle Kollegen von diesem kleinen Wunderwerk sind. Nandar nennt die Einheit mit Blick darauf, wie vorsichtig man mit ihr umgehen muss, aber auch wegen der Freude, die diese bringt, liebevoll ihr „Baby“. Nur mit Hilfe dieser Einheit kann auf den „Fieldtrips“ auch konservierend gearbeitet werden.
Unser Fazit
Wie auch schon im vergangenen Jahr hatten wir, trotz anfänglicher Schwierigkeiten bezüglich der Arbeitserlaubnis und politischer Probleme, die Möglichkeit, wirklich helfen zu können. Mit über 1700 Kindern aus Waisenhäusern und Schulen konnten wir gemeinsam die Grundlagen der Präventiven Zahnmedizin trainieren. Jedes Kind konnte dank der Spenden mit einer eigenen Zahnbürste ausgestattet werden.
Insgesamt haben wir im Team mit den Zahnärzten vor Ort mehr als 100 Patienten behandelt. Wir konnten die Möglichkeit aufzeigen, die Extraktionsrate zu Gunsten der zahnerhaltenden Maßnahmen zu reduzieren. Damit auch nach unserer Abreise weiterhin geholfen werden kann, wurden sämtliche Materialien für weitere Hilfseinsätze von burmesischen Zahnärzten in Myanmar gelassen.
Die Zustände in dem wunderschönen Land Myanmar haben uns oft, nahezu täglich, schwer zu schaffen gemacht – die Lebensumstände der Bewohner, offensichtliche Misswirtschaft, Korruption, persönliche Vorteilsnahme und nicht zuletzt der Anblick tief zerstörter Kinderzähne. Umso mehr hat uns ein kariesfreies und schmerzbefreites Lächeln gerührt und gefreut und in uns den Wunsch geweckt, weiterzumachen.
Wir danken
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Arnold
OA Dr. Eckhard Busche
Karin und Raymond Bunz
OA Dr. Georg Gassmann
Univ.-Prof. Dr. Joachim Jackowski
Jürgen von Jordan
Prof. Dr. Peter Jöhren
Monika und Harald Kemna
Dr. Hellmut Kirchner
Wulfhild und Ulf Krueger-Janson
Dr. Burkard Langenfeld
Andrea Miosga
Ethel Rauhof-Fisher
Kurt Reichel
Dr. Andreas Röhrle
Brigitte und Harald Schaupp
Dr. Rüdiger Schmischke
Dr. Wolfgang Schnickmann
Ralf Wagner
Univ.-Prof. Dr. Stefan Zimmer